Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska. Roman (German Edition) by André Martina

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska. Roman (German Edition) by André Martina

Autor:André, Martina [André, Martina]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Spionage, Belletristik/Krimis, Thriller
Herausgeber: Aufbau Verlag GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2010-07-25T22:00:00+00:00


19

Juli 1905, Sibirien – Baum der Erkenntnis

Der nächste Tag war ein Freitag, und Professor Isaak Weinberg plagte das erste Mal, seit man ihn in dieses Lager verschleppt hatte, kein schlechtes Gewissen, weil er mit seiner Arbeit die Gesetze des Shabbats missachtete. Nachdem er sich ausgiebig gewaschen hatte, klopfte er Pjotr, der sich sorgfältig die Haare kämmte, aufmunternd auf die Schulter.

Pjotr beobachtete, wie Weinberg eine saubere Joppe vom Bügel nahm und hineinschlüpfte, bevor er noch eine Minute vor seinem improvisierten Altar verbrachte. Der junge Russe war im Gegensatz zu dem viel älteren Juden im Glauben der christlich-orthodoxen Lehre erzogen worden, und obwohl er nie ein fleißiger Kirchgänger gewesen war, verspürte er plötzlich ein mulmiges Gefühl.

»Denkst du, Isaak, Gott wird es verstehen, wenn wir sozusagen bei seiner Konkurrenz um Hilfe ersuchen«, fragte er seinen grauhaarigen Mitgefangenen leise.

»Gott wird uns erhören, ganz gleich, durch wen oder was wir ihn darum bitten«, antwortete der Professor mit einem zuversichtlichen Lächeln. »Selbst wenn das, was wir vorhaben, nicht unbedingt in sein Konzept zu passen scheint. In meinem Glauben gibt es nur einen Gott, und warum sollte es schaden, ihn mit der Hilfe der Einheimischen um etwas zu bitten?«

Aslan hatte sich von seiner Gebetsmatte erhoben.

»Allah ist groß«, erklärte der Muslim. »Und seine Güte ist noch weit größer, als ein einzelner Mensch es ermessen könnte.«

Punkt sechs in der Frühe saßen sie in der Kantine und löffelten hastiger als sonst ihren Brei, und noch bevor sie den Dienst in der Konstruktionshalle antraten, scherten Pjotr und Weinberg aus und baten um eine Audienz in der Baracke des Kommandeurs.

Igor Igorewitsch Lobow saß in seinem Büro hinter einem monströsen Schreibtisch und schälte sich einen Apfel, als sein Adjutant das Ansinnen der beiden Wissenschaftler vortrug.

»Sie wollen ein Gespräch und behaupten, es sei dringend«, erklärte der junge Soldat mit einer Miene der Rechtfertigung.

Lobow war kein Unmensch, und in seinen Augen konnte es nur gut sein, wenn sich die Laune seiner Chefkonstrukteure nicht nachhaltig verschlechterte. Es reichte vollkommen, dass man sie unter Zwang hierher gebracht und gewissermaßen zu Leibeigenen gemacht hatte. Dabei gab es für ihn nur zwei Möglichkeiten, mit denen man sie sich auf Dauer gefügig machen konnte: Angst oder Freude.

»Sollen reinkommen«, brüllte Lobow knapp, und gleichzeitig ließ er das Messer und den Apfel in einer Schublade verschwinden.

Die Arme hinter dem Rücken verschränkt, nahmen die beiden Bittsteller vor dem Schreibtisch des Kommandeurs Aufstellung – ganz so, wie es die Regeln des Lagers verlangten.

»Was kann ich für euch tun?« Lobow setzte die Miene eines gütigen Vaters auf und faltete die Hände.

Weinberg räusperte sich kurz, bevor er zu sprechen begann. »Es geht um Leonard Schenkendorff.« Er zögerte einen Moment. »Wir sehen noch eine Möglichkeit, wie er wieder gesund werden könnte.«

Lobow sah ihn eine Weile nachdenklich an, dann erhob er sich von seinem Stuhl und ging zum Fenster.

»Schenkendorff«, wiederholte er tonlos und kehrte seinen Besuchern den Rücken zu. »Ich kann mir nicht vorstellen, was ihm noch helfen sollte.« Er wandte sich um und sah Weinberg mit entwaffnender Ehrlichkeit an. »Ich habe Doktor Primanov den Auftrag erteilt, dass er ihm eine Überdosis Morphium verabreichen kann, wenn feststeht, dass er im Koma verbleibt.



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